In der IT sind agile Methoden mittlerweile gang und gäbe. Das sich der Einsatz von Scrum auch sehr gut für die Produktentwicklung eignet, hat die Gothaer Lebensversicherung mit Unterstützung von Cegeka bei der Konzeption eines neuen, innovativen Einmalbeitragsproduktes erfolgreich gezeigt.
Cegeka macht Gothaer fit für agile Produktentwicklung
Interview mit Dr. Wolfgang Weihofen, Projektleiter und Scrum Master, Dr. Rafael Knop, Leiter Mathematik und Product Owner, beide bei der Gothaer Lebensversicherung AG, sowie Volker Schmidt, Agile Coach und Scrum Experte bei der Cegeka Deutschland GmbH.
Dr. Wolfgang Weihofen, Projektleiter und Scrum Master, Gothaer Lebensversicherung AG
Herr Dr. Weihofen, Sie waren Projektleiter mit dem Auftrag, das neue Einmalbeitragsprodukt Gothaer Index Protect zu entwickeln. Was gab den Ausschlag, dieses Projekt agil umzusetzen?
Dr. Wolfgang Weihofen: Neue Produkte müssen möglichst schnell auf den Markt gebracht werden. Das ist nicht so einfach, da aufgrund der Komplexität von Versicherungsprodukten die Konzeptionsphasen mitunter sehr lang sein können – zu lang, um die anfangs einmal definierten Produktanforderungen einfach nach und nach abzuarbeiten und das Ergebnis dann erst nach Monaten vorzustellen. Mit diesem Pilotprojekt wollten wir zeigen, dass wir mit einer inkrementellen und iterativen Vorgehensweise, wie Scrum sie bietet, unseren Produktentwicklungsprozess schneller sowie flexibler hinsichtlich sich kurzfristig ändernder Anforderungen gestalten können.
Die Designphase des neuen Produktes lief über zehn Sprints. Wie sind Sie in dem Projekt konkret vorgegangen und welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Welche Rolle hatte Cegeka?
Dr. Wolfgang Weihofen: Zunächst wurde ein neunköpfiges Scrum Team zusammengestellt. Welche Kompetenzen hierbei für den Projekterfolg erforderlich sind und welche als Berater punktuell zur Verfügung stehen sollten, haben wir anhand einer Funktionsanalyse mit Unterstützung des Experten der Cegeka festgelegt. In der Initialisierungsphase hat uns Volker Schmidt über fünf Monate als Coach begleitet. Zu Beginn hat er uns durch verschiedene Trainings die agilen Grundlagen, Werte und Arbeitsweisen vermittelt und während des Projektverlaufs bei Fragen und Herausforderungen in verschiedenen Situationen gecoacht. Insbesondere die neue Rollenverteilung von Product Owner, Projektleiter und Team war für uns Neuland. Alle festen Mitglieder des cross-funktional aufgestellten Teams konnten drei Monate lang fast ausschließlich für das Projekt arbeiten. Dies war einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren.
Dr. Rafael Knop, Leiter Mathematik und Product Owner, Gothaer Lebensversicherung AG
Volker Schmidt: Mein Ziel als Agile Coach ist es, das Team dazu zu befähigen, auf eigenen Beinen zu stehen. Ich bin nicht dazu da, um zu sagen, wie etwas umgesetzt werden muss. Vielmehr vermittle ich dem Team ein grundsätzliches Verständnis davon, was agiles Arbeiten bedeutet und zeige, welche Werkzeuge es gibt und wie das Team sie bestmöglich nutzen kann. Alles Weitere ist dann vor allem Learning by Doing und Disziplin.
Dr. Wolfgang Weihofen: Als sich nach dem Projektstart alles eingespielt hatte, wurden die Vorteile der neuen Vorgehensweise für uns schnell spürbar. Das Team arbeitete eigenverantwortlich und hatte die Art und Weise, wie das gemeinsame Ziel erreicht werden sollte, selbst in der Hand. Das schweißt zusammen und die Motivation aller war entsprechend hoch. Durch den täglichen Austausch des Teams und der Visualisierung am Scrum Board waren die relevanten Informationen jederzeit transparent und alle Teammitglieder auf dem gleichen Kenntnisstand. Langwierige Protokollierungen, Missverständnisse und Fehlkommunikation waren damit passé. Das galt auch in Hinblick auf unsere Zielgruppe im Vertrieb. Im Rahmen von wöchentlichen Demos der gelieferten Produktfunktionalitäten waren unsere Vertriebswege aktiv miteingebunden. Wir erhielten so ein kontinuierliches Feedback und konnten frühzeitig erkennen, ob wir auf dem richtigen Weg sind und bei Bedarf noch Anpassungen vornehmen. Ein weiterer großer Vorteil war aus meiner Sicht auch die Retrospektive nach jedem Sprint. Durch diese zeitnahe Reflexion konnten wir Verbesserungen bereits direkt im nächsten Sprint umsetzen.
Was ist Ihr Fazit? Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
Dr. Rafael Knop: Ich bin begeistert! Mit Hilfe der agilen Methodik ist es in diesem Pilotprojekt gelungen, die Zeitspanne vom initialen Sprintstart bis zur Markteinführung auf neun Monate zu reduzieren. Zudem konnten auch zum Ende der Designphase noch flexibel Änderungen berücksichtigen werden. Das Resultat spricht für sich, der Vertrieb ist rundum glücklich mit dem neuen Gothaer Index Protect-Produkt. Das war eine tolle Leistung aller Beteiligten.
“Das Resultat spricht für sich, der Vertrieb ist rundum glücklich mit dem neuen Gothaer Index Protect-Produkt.”
Dr. Rafael Knop, Leiter Mathematik und Product Owner, Gothaer Lebensversicherung AG
Dr. Wolfgang Weihofen: Auf jeden Fall. So etwas gelingt nur, wenn alle Beteiligten miteinander reden, jeder alle Informationen hat, die er zur Erledigung seiner Aufgaben benötigt und vor allem jeweils immer nur an den wichtigsten Aufgaben gearbeitet wird. Eine weitere Voraussetzung ist auch, dass das Management hinter der Sache steht. Die Gothaer hat seit drei Jahren Agilität zu einer ihrer Maximen erklärt, sodass wir, z.B. für die Zusammenstellung von cross-funktionalen Teams aus allen erforderlichen Bereichen des Konzerns, auf die volle Unterstützung unseres Managements zählen können.
Volker Schmidt, Agile Coach und Scrum Experte, Cegeka Deutschland GmbH
Volker Schmidt: Für mich war besonders interessant zu sehen, dass die Ergebnisse einiger Sprint auch als „Analyse und Empfehlung des Teams“ definiert wurden. Dabei ging es sehr häufig darum einen speziellen Sachverhalt genau zu untersuchen, verschiedene Lösungsansätze zu definieren und daraus eine Empfehlung für die konkrete Umsetzung zu erarbeiten. An dieser Stelle war dann der Product Owner sehr gefordert. Er musste schließlich auf der Basis dieser Empfehlungen seine nächsten Aufgaben definieren. Daraus ergab sich eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Product Owner und Team.
Werden Sie die agile Arbeitsweise weiterführen?
Dr. Wolfgang Weihofen: Unbedingt. Wie agil wir tatsächlich schon in den Köpfen sind, haben wir am Beispiel unseres “Kapitalplaners” gesehen, der Verkaufshilfe zum Gothaer Index Protect-Produkt. Das Team war sofort bereit, gemeinsam mit unserem Partner Cegeka die Implementierung dieser neuen Softwareanwendung agil anzugehen.
Cegeka hat uns gezeigt, dass die agile Vorgehensweise sowohl in der Designphase als auch bei der Softwareentwicklung viele Vorteile bietet und uns vom Erfolg ihrer Scrum Best Practices überzeugt. Wir planen bereits, die nächste Produktentwicklung mit einem neuen Scrum Team umzusetzen und sukzessive den Anteil agiler Arbeitsweise in unseren Projekten zu erhöhen.